outdoors - eine fotosequenz

 

ein bauzaun aus türen errichtet, eine situation des alltäglichen strassenbildes, ruft in uns vorstellungen wach, die weit über die funktion eines begrenzenden zaunes hinausreichen, verrät sie uns doch, dass an einer solchen stelle nicht nur neues entsteht, sondern altes bestanden hat.

die türen sind hier zu blossen holzbrettern degradiert, die die funktion haben, den bauplatz abzusichern, ihn vom übrigen bewohnten und befahrenen stadtgebiet abzutrennen.

türen stellen aber im alltäglichen gebrauch zugleich neben der trennung auch die verbindung zwischen zwei bereichen her. die tür, eingegliedert in den rhythmus der wand und des raumes, bildet ein bewegliches element im statischen, architektonischen system und ist darin integraler bestandteil.

die verschlossene tür, vor der man wartet, kann vermutungen über den raum dahinter und die personen, die darin leben, erwecken, sodass das schlüsselloch, die kleine öffnung, die zum versperren nötig ist, geradezu symbolische bedeutung für neugierde und voyeurismus erlangt hat.

fensterglas in türen - niemals klar und durchsichtig, sondern geriffelt und gewellt - lässt nur helligkeit durchscheinen, ohne einblick in den angrenzenden raum zu bieten. die türen alter häuser, von bauwerken also, die die fürchterlichen zerstörungen des krieges überstanden haben, strahlen einen charakter aus, der allen neuen türen abgeht. aus holzleisten und brettern geschreinert, bilden sie eigene gestaltete einheiten, an deren stelle heute nahezu uniforme, austauschbare flächen aus pappe und dünnem furnier dieselbe funktion übernehmen sollen.

die charakterlosigkeit dieser billigtüren hat die gleichförmigkeit und langeweile, die die meisten neubauten nach aussen tragen, auch ins innere der häuser gebracht.


 

     

outdoors 1981


edgar knoops fotosequenz widmet sich den "outdoors", den an "die luft gesetzten türen" eines alten, als nicht mehr praktisch, zweckmässig oder als unrentabel angesehenen gebäudes, die der witterung ausgesetzt, zu zerfallen begonnen haben. lack splittert flächig ab, wobei die struktur des darunter liegenden holzes die spuren und formen der absprünge beeinflusst. die natur des holzes als gewachsenes material tritt mit zunehmender verwitterung immer deutlicher hervor, ja es scheint geradezu , als würde das holz allmählich in seinen urprünglichen, natürlichen zustand rückversetzt. die maserung wird immer deutlicher, die farbe verschwindet, die geraden, gehobelten bretter reissen auf und verlieren ihre strenge ordnung, die sie einmal besassen. geflickt mit rohen brettern, wo glasscheiben oder füllungen ausgebrochen sind, sehen die einst schönen türen geschändet aus.

in dieser arbeit von edgar knoop nimmt die architektur, vertreten durch die herausgelösten türen, fast menschliche züge an. das vergehende und verfallende wird noch nach aussen gekehrt und zur schau gestellt. ein alltäglicher vorgang, ohne viel nachdenken aus praktischen gründen so ausgeführt, wandelt es sich im geist des sinnlich wahrnehmenden und nachdenkenden zum sinnbild.

die fotografie ist das medium, durch das diese beobachtung ins bild gesetzt werden kann. die reduktion auf die zeichnerischen werte von schwarz und weiss lässt alle zufälligkeit an buntheit zugunsten einer grafischen klarheit zurücktreten. der ausschnitt, den die fotografie jeweils klar fordert, führt hier stufenweise hin zu immmer deutlicheren details, wobei das rechteck der türen, dem des filmformats entgegen kommt, mit ihm korrespondiert. das unüberschaubare, die gleichförmige anhäufung wird durch die strukturierte auswahl geordnet, wobei dem betrachter eine ordnung präsentiert wird, die den realen zustand übersteigt und dem denkmuster vorrang gegenüber dem realen einräumt.

 

helmut friedel
städtische galerie im lenbachaus münchen, 1984

 

 

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