tänze der farbe

zu den neuen arbeiten von edgar knoop

 

die entstehung der abstrakten malerei anfang des 20. jahrhunderts wurde von der idee der musikalisierung der malerei angeregt. bereits um die jahrhundertwende häufen sich die versuche, farben und formen analog zur musik gegenstandsfrei, dafür aber aufgeladen mit spiritueller bedeutung, zu setzen und dies auch theoretisch mit farbe-musik-analogien zu begründen.

dieses interesse der maler an musikalischen gesetzmässigkeiten und analogien zur bildnerischen gestaltung entstand beinahe parallel zu dem neu erwachten interesse der wissenschaft an den „grenzgängen zwischen musik und kunst“, insbesondere die synästhesie-forschung, die in den 20er jahren einen grossen aufschwung nahm. kandinsky stieß bei seiner arbeit an der programmschrift „über das geistige in der kunst“ auf etliche, auch aus dem esoterisch-okkulten bereich stammende quellen, die für ihn zu der hoffnung anlaß gaben, aus diesen – noch wissenschaftlich zu begründenden – übereinstimmungen zwischen musik und malerei dereinst auch für die malerei jenen „kontrapunkt“ zu finden, den schon goethe in seiner farbenlehre von 1810 forderte.

heute wissen wir, dass sich eine solche hoffnung –­ man ist versucht zu sagen, glücklicherweise – nicht erfüllt hat. die künstler gingen ihren eigenen, je verschiedenen weg zur abstraktion, wobei es sich keiner von diesen pionieren der abstrakten malerei, sei es hölzel, kandinsky, itten, klee, kupka oder mondrian, nehmen ließ, nach gesetzmäßigkeiten der farbe und form zu forschen, ohne jedoch eine wirklich allgemeingültige, verbindliche basis für eine ordnung ähnlich wie in der musik festlegen zu können.

auch die wissenschaft hat keinen beweis für eine tatsächlich korrespondierende farbe-ton-analogie finden können; zu unterschiedlich sind die sinnesbereiche des hörens und des sehens, während das phänomen der „echten synästhesie“ inzwischen erforscht wurde.

dennoch blieb die faszination dieser wissenschaftlich letztendlich unerklärlich bleibenden analogie bis heute ungebrochen, wie auch die neuen arbeiten von edgar knoop zeigen.

Die neue serie der "traces / spuren – networks" (2005/2006) besteht aus meist rautenförmig gestellten quadratformaten, die auf weissem grund unterschiedliche formationen unbunter bzw. unbunter/bunter und in einer zweiten serie vollständig buntwertiger formelemente zeigen. diese exakt bestimmten (1,5 x 9 cm) balkenförmigen farbstreifen werden aus vorher in der farbwahl festgelegten folienmaterial sorgfältig ausgeschnitten und nach einem bestimmten, vorher aufgezeichneten bewegungsmuster auf die bildfläche geklebt.

 

network 2008

 

in der ersten serie "traces  I" sind die streifen noch in einem regelmässigen geometrischen netzwerk eingefügt, das die bildfläche in bestimmte, exakt errechenbare abschnitte unterteilt, wie z.b. im goldenen  schnitt oder nach maßen der fibonacci-reihe, die knoop auch schon für frühere arbeiten eingesetzt hat. durch die abstufung in unterschiedliche grauwerte bis zum tiefen schwarz entsteht zudem der eindruck, als ob die formen aus der fläche emporwachsen würden, also eine räumliche bewegung sowohl in den bildraum als auch aus ihm heraus, in den betrachterraum vollziehen würden.

diese bewegung innerhalb des flächeninnenraums wird von einer zweiten bewegung auf der bildfläche konterkariert, die im zweidimensionalen bereich abläuft. im wechsel dieser bewegungsabläufe entsteht im auge des betrachters die spannung und vielfalt, die den zunächst streng und spröde wirkenden arbeiten bei längerer betrachtung eigen ist. weitere spannungsmomente bauen sich aus dem wechselspiel von besetzten und unbesetzten flächen, offenen und geschlossenen formen, sowie in anderen arbeiten zwischen bunten und unbunten formen auf.

knoop knüpft mit diesen bildern an bei arbeiten aus den frühen siebziger jahren mit ihrer strengen, ausgewogenen komposition und systematischen farbigkeit , wie an die plastischen arbeiten der „farbprofile“, die aus den untersuchungen zur farbräumlichkeit hervorgingen. mit dem begriff „farbhöhe“ bezeichnete Knoop die funktion aus farbsättigung und farbhelligkeit. bei zunehmender sättigung wie helligkeit einer farbe nimmt auch die farbhöhe zu, die knoop ganz wörtlich und materiell auffasste, indem er sie durch acrylrundstäbe festlegte, an deren enden die farben als farbpunkte aufgetragen erscheinen. die stäbe werden auf eine schwarze grundfläche montiert und steigen in einer wellenförmigen bewegung in den umgebenden raum auf.

in den neuen arbeiten vollzieht sich diese farbhöhenbewegung in der fläche wie auch im bildraum, wobei ein neuer musikalisch-tänzerischer aspekt auftaucht, der an die späten arbeiten von mondrian erinnert (victory boogie-woogie, 1943/44). überwiegen dort noch malerische komponenten (farbauftrag/textur), so erzielt knoop mit seiner Systematik aus aufgeklebten gleichförmigen farbstreifen eine fokussierung der wahrnehmung auf das eigentliche thema dieser serie: rhythmus und bewegung, also auf den „faktor zeit“, der in der erfassung der unterschiedlichen bewegungsabläufe und rhythmischen schichtungen die wesentliche rolle spielt.

noch „farbmusikalisch“ bewegter geht es in der zweiten Serie der "traces II" zu, die vollständig aus vorwiegend komplementärfarbigen buntwerten bestehen. die streng-geometrische aufteilung der bildfläche ist hier einer „zufällig“ wirkenden, aber ebenfalls berechneten streuung gewichen, die der serie eine dennoch heitere, spielerische note verleiht. aber auch hier bewegen sich die formen wie in einer choreographie auf einem vorgezeichneten, und beim nähertreten sichtbaren netz von bleistiftlinien, das die bewegungsspuren der farbformen vorzeichnet. es entsteht hier tatsächlich der eindruck von farben-tänzen, die vielfältige assoziationen außerhalb der eigentlichen konkreten gestaltung zulassen, so an strassenmarkierungen, oder an jene mosaiken, die den künstler auf seinen reisen, ausstellungen und lehrtätigkeiten in nordafrika (tunesien/marokko) tief beeindruckten.    

hinzu kommt ein neues spannungselement in der form, denn die vorher exakt bestimmten und orthogonal eingefügten farbstreifen sind in dieser serie (dank des flexiblen materials) in leichten kurven aufgeklebt, so dass sich eine dynamische spannung zwischen den ovalen bewegungskurven und dem rechteckigen bildformat ergibt. dadurch wird die tänzerische leichtigkeit der farbformen, die leuchtende, heiter anmutende farbigkeit der arbeiten noch unterstrichen.

tanz und musik, bewegung und rhythmus sind assoziationsfelder bzw. gestalterische elemente, die die malerei von jeher fasziniert und zu immer neuen überlegungen geführt haben. es mag an der konzentration auf farbe und form liegen, dass gerade in dem bereich der konkreten kunst, dem knoop im weitesten Sinne zuzuordnen ist, gerade auch diese assoziativen themen am ehesten und am intensivsten aufgegriffen wurden, wie der blick auf die frühen arbeiten von max bill (z.b. „fünfzehn variationen über ein thema“, 1938) oder auf die seriellen farbreihen von richard paul lohse zeigt.

dabei geht es knoop ja nicht um die direkte umsetzung von musikalischen elementen in die malerei, wie dies – oft genug vergeblich – von so vielen anderen, auch konkreten künstlern versucht wurde (wie z.b. von luigi veronesi die „chromatische visualisierung: anton webern variationen für klavier, opus 27, variation II, takte 1-19“, 1972).

was hingegen knoops neue arbeiten auszeichnet ist gerade diese spielerische leichtigkeit im umgang mit den fundamentalen elementen der künstlerischen gestaltung, mit dem rhythmus der farbsetzungen, dem komplementären wechselspiel der farbgesetze, der – wie ein basso ostinato – darunterliegenden harmonikalen einteilung der fläche, einer gestaltung, die sich bei größtmöglicher ökonomie der mittel zu einem fugalen gesamtklang erhebt.

erst aus dieser meisterhaften beherrschung aller mittel seiner kunst entfaltet edgar knoop die grazile tänzerische bewegung der formen und das musikalische aufklingen der farben, mithin jene neue leichtigkeit und heitere gelassenheit, die einem hoffentlich noch lange weiterzuführenden alterswerk eines künstlers angemessen erscheinen.

  

hajo düchting
städtische galerie ljubljana, 2006

 

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