objekte - projekte
 

in der kunst unseres jahrhunderts haben künstler wie physiker immer wieder spezielle theoretische und praktische untersuchungen erarbeitet, die auf die rezeptions- und darstellungsmöglichkeiten in unserem jahrhundert eingewirkt haben. dies gilt insbesondere dort, wo das überleben des einzelnen - es sei denn, er ist farbenblind und bedient sich anderer hilfsmittel - insbesondere auf die fähigkeiten seiner retina ausgelegt ist. er wird durch den umgang mit farbe so erzogen und geleitet, daß er nicht zu schaden kommt, daß er diesen aber erleidet, wenn er auf die farblichen informationen nicht richtig reagiert. beispiele sind die verkehrsampeln, die farbigkeiten von mode und anderem, das environment; all jene dinge, die sich aus der monochromie des bauhauses ganz im sinne des suprematismus und von nicolas de stael hin zu einer farblichkeit entwickelt haben, die unser leben leichter und reicher gestaltet. es ist deshalb kein zufall, daß sich viele künstler in unserem jahrhundert, von robert delauney über august macke bis hin zu künstlern der zero-gruppe oder heute auch edgar knoop, sich speziell mit dem thema der farbe auseinandersetzen. knoop will nicht mehr malen im klassischen sinne, will aber auch nicht nur physikalische als didaktische phänomene vermitteln. er arbeitet dennoch mit technik, er arbeitet mit lichtkinetischen stelen, reliefs und collagen, die einen eigentümlichen reiz entwickeln, da sie auf der suche nach einer einheit von licht und raum spezifische positionen verankern. das atelier des künstlers sieht aus wie das labor eines technikers, als solcher fühlt er sich. er verweigert die große gestische, sozusagen existentielle not darstellende aktion. er arbeitet zurückgezogen, überlegend. er recherchiert, er forscht, er sucht die optimierung der wahrnehmung durch die minimalisierung seiner ästhetischen mittel auf reizauslösende effekte. indem er seine formensprache auf einfachheit reduziert, kann er gegenpositionen aufbauen, individuelle kontrapunkte in einer welt, die sich dem schnellen bild und somit auch dem verbrauch des bildes verschrieben hat. es ist überflüssig zu überlegen, ob das werk von edgar knoop historisch bei den pionieren des zweiten jahrzehnts unseres jahrhunderts anknüpft oder bei denen der techniker, bei denen der entwickler anzusiedeln ist, ohne darüber zu spekulieren, ob der wahrnehmungsprozeß in der kunst reiner selbstzweck sei, wie es 1916 der russische sprachtheoretiker viktor slowskij vorgeschlagen hat. in den arbeiten von edgar knoop wird ein element hineinverwoben, das nicht normaler, sondern geistiger natur ist: das der anwendung oder der benutzbarkeit. edgar knoop scheut nicht den bruch mit der schnittstelle einer radikalen, weil hermetischen ästhetik. er überführt sein produkt über diese technologisch separierbare schnittstelle, wie es die institutionenökonomie von williamson bezeichnet, in eine sphäre hinaus, in der das kunstwerk in seiner applizierbarkeit verstanden werden kann, um dennoch dokument der freiheit des ästhetischen zu bleiben. knoop gelingt dieses durch negierung des narrativen, die eliminierung des literarischen und des erzählenden. diese verweigerung wird zur stärke als eine aussage, die in einer gegenposition der aktion widerspricht.

 

farbprofil doppelrelief 1977

farbprofil, doppelrelief, 1977

 

diese vorgänge bedeuten nicht minimierung des sichtbaren, sondern optimierung des visuellen. in großer variation also, in der wahrnehmung aller möglichen optionen innerhalb des systems von farbgestaltung, operiert der künstler, er surft in den farbtheorien, von goethe über runge über itten bis zu albers und den großen physikern. er nimmt sich das heraus, was ortsspezifisch relevant werden kann. diese freiheit im umgang mit dem wissen erlaubt poetische formulierungen, die deshalb nicht weniger richtig sind oder vielleicht subjektiver, die aber in ihrem individualismus grenzbereiche sprengen können, die sonst von der reinen theorie ausgeklammert werden. dieser vorgang gewinnt seine erlebbarkeit durch eine scheinbare anwendung, die wir prinzipiell sonst der reinen kunst stets verweigern. es ist kein zufall, daß edgar knoop im bereich von kunst am bau, von kunst im freien raum besonders erfolgreich ist. denn gerade hier, in der auftragsarbeit, im wettbewerb mit anderen künstlern, aber auch mit den architekten und den nutzern präzisieren sich vorstellungen, die ortsspezifische lösungen erzwingen, ohne daß das generelle thema verlassen werden muß. das bedeutet für den künstler, daß er auch im angewandten bereich kompromißlos agieren kann. diese position ist heutzutage von äußerster seltenheit, da wir normalerweise eine unabhängige kunst kennen oder eine den kompromiß suchend akzeptierende. für edgar knoop bestehen diese gegensätze nicht, er kann das eine wie das andere bejahen, er kann auf den kompromiß verzichten - vielleicht auch deshalb, weil er in der folge des humanismus kunst ganzheitlich versteht. unser jahrhundert kennt viele künstler, die versuchen, über diese schnittstelle hinaus ihre werke zu kontrollieren, ihre aussagekräftigkeit. sie haben angst, daß jenseits dieser technisch separierbaren schnittstelle ein mißbrauch mit den kunstwerken stattfinden könnte. dadurch behindern künstler die sprachfähigkeit ihrer werke. knoop hat im bewußtsein der objektivität seiner kunstwerke diese probleme immer abgestreift. er setzt seine kunstwerke in räume, er weiß um ihre autonomie, sogleich auch um ihre bindung. er verläßt das thema von farbe und theorie nicht, er reizt die augen weiter, er reizt seine optionen weiter aus, aber er verlangt nicht, daß das kunstwerk nur in der hermetik eines bestimmten ortes erfahrbar ist. so sehr knoop das überraschende aufbaut, um so mehr mindert er das auratische im sinne des geheimnisvollen. knoop ist ein künstler unseres jahrhunderts, der fern ab aller stilistischen tendenzen sich einem arbeitsfeld verschrieben hat, in dem begriffe wie aufklärung, wissen, theorie und praxis, freiheit und einbindung, objektivität und subjektivität einen spannenden dialogischen prozeß miteinander führen. daß knoop nicht verheimlicht, indem er das technische versteckt sondern mit offenen karten spielt, zeigt jedes einzelne kunstwerk. die rationalität der arbeiten, der glaube an das machbare ist selten geworden, besonders in einer welt, in der die utopielosigkeit zur emotionalen verkümmerung geführt hat. dagegen setzt der künstler seine optimistischen zeichen. 

 

dieter ronte,
kunstmuseum bonn, 1996

 

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